16 Okt Pflegestellengeschichten
Von der ängstlichen Fellnase zu einem Taschentuchpiraten
Erst vor einigen Wochen entschied ich mich dazu, den Katzenschutzbund Rostock e.V. als Pflegestelle zu unterstützen und möchte nun von meinen bisherigen Erfahrungen, dem täglichen Auf und Ab mit den Samtpfoten berichten.
Mein erster Schützling Anton war ein aufgeweckter Kater, der mich sofort überraschte: Es verging keine halbe Stunde, schon lag er schnurrend in meinem Bett und machte es sich gemütlich. Er spielte gerne und nahm das Leben in der Wohnung als selbstverständlich an. Nur zwei Wochen später erfuhr ich auch den Grund für diesen verschmusten, ausgeglichenen Kater. Er hatte eine liebende Familie, die ihn Karlo nannte, vermisste und schnell wieder nach Hause holte. Dieses Beispiel zeigt aber, wie es häufig NICHT endet.
Nur wenige Tage nach Antons Ankunft kam auch Louis zu mir. Dieses kleine Sorgenbündel verkroch sich ganz ängstlich unter meinem Bett und kam zunächst 3 Tage gar nicht hervor. Er hatte viel durchgemacht, nachdem er ausgehungert und mit einem sogenannten Rolllid von der Straße geholt wurde. Offenbar war er fremden Menschen nicht besonders zugetan. Verständlich, dachte ich, denn er war am Auge operiert worden und musste während der Heilung auf Station bleiben. Ich machte mir Gedanken darüber, dass er nichts aß und trank und suchte nach einer Lösung, wie ich ihn an mich gewöhnen konnte.
Ich entschied, mich einfach neben das Bett zu legen, sodass er mich sehen konnte und sprach ruhig mit ihm. Ich erzählte ihm voller Überzeugung, wie toll es bei mir ist und dass es ihm hier gut gehen würde, während ich ihn mit Leckereien bestach. Nach 3 Tagen fraß er zum ersten Mal etwas. Noch am gleichen Abend hörte ich, dass er das erste Mal auch die Toilette nutzte, die ich extra dicht an mein Bett gestellt hatte. Mein Herz klopfte, während ich horchte, was er da macht. Wie gerne wäre ich ganz schnell gucken gegangen, aber ich wusste, dass er dann gleich wieder Angst bekommen würde. Ob es die Anwesenheit Antons war oder einfach die Neugier, ist unklar, aber dennoch kam Louis in der nächsten Nacht, während ich in meinem Bett lag, hervor und sah sich in der Wohnung um. Wieder wollte ich das unbedingt sehen, blieb aber ruhig im Bett liegen, um ihn nicht zu erschrecken. Als ich am Morgen aufstand, stellte ich fest, dass Louis einen Bärenhunger gehabt haben muss, denn er hatte meinen Küchenschrank nach etwas Essbarem durchforstet und dabei die für nicht-essbar empfundenen Dinge gleich aus dem Schrank verbannt.
In den darauffolgenden Tagen lief es ähnlich. Tagsüber lag er unter dem Bett, wo er nun auch regelmäßig sein Essen verschlang, und nachts strolchte er durch die Wohnung, während Anton meist bei mir im Bett lag. Die Wende begann als Anton wieder bei seiner Familie war: Offenbar vom Hunger geplagt, besuchte mich Louis eines Abends im Wohnzimmer, rannte aber wie von der Hummel gestochen wieder raus, als er mich sah. Am nächsten Tag stellte ich am Abend sein Essen in die Küche, um zu sehen, ob er vielleicht wieder herauskommen würde, wenn er Hunger hat. Siehe da, mein Plan war aufgegangen. Die ersten Erfolge meiner Zurückhaltungs-Taktik machten mich wirklich stolz. Nur einen Tag später lag er morgens in einer Höhle im Kratzbaum, schon zwei Tage später blieb er, wie es sich für einen Traummann gehört, auch zum Frühstück, bevor er sich wieder unters Bett verkroch.
Da Louis so gute Fortschritte machte und aktuell bei mir ohne einen Artgenossen war, nahm ich einen weiteren Angsthasen, Batman bzw. Matti genannt, auf, der in seiner bisherigen Pflegestelle sehr einsam war. Louis und Matti wurden von mir vorerst durch ein Gitter getrennt, um zu sehen, wie sie aufeinander reagieren. Als ich am Abend ins Bett ging, horchte ich wieder tonlos, was die beiden machten. Sie miauten, deshalb spionierte ich ein wenig um die Ecke.
In diesem Moment ging mir das Herz auf: Beide saßen am Gitter, beschnupperten sich und miauten sich an, als wenn sie darüber klagten, dass sie voneinander getrennt sind. Ich sah mir das ganze zwei Stunden mit an und entschied dann, das Gitter zu entfernen. Das war die absolut richtige Entscheidung: Sie beschnupperten sich und zogen zusammen los. Tagelang gab es nicht einmal ein fauchen. Seitdem die beiden zusammen sind, kann ich die Fortschritte Tag für Tag verfolgen. Der Grund für die anfängliche Unsauberkeit von Matti, die mich zur Verzweiflung trieb, war dann auch schnell gefunden: Graf Pinkellot empfand das Klo als zu klein. Und obwohl ich die kleine Toilette zunächst nur durch einen größeren, mit Tüte ausgekleideten Karton austauschte, hörte die Unsauberkeit sofort auf.
Zwei Wochen ist es nun her, dass Matti zu mir kam und die zwei Fellnasen erstaunen mich jeden Tag immer mehr. Louis hat jegliche Angst verloren, sich in der Wohnung frei zu bewegen. Ich darf ihn anfassen und er schmust sogar mit mir. Matti schläft inzwischen auch unter meinem Bett, zusammen mit Monsieur Louis. Nachts werden Wettrennen veranstaltet, gemeinsam Pläne ausgeheckt, die großen Weiten der Couch entdeckt und Taschentücher aus deren Ritzen erbeutet. Sobald ich morgens aufstehe, bricht eine regelrechte Schmusewelle los: Louis schmust mit Matti, Matti mit mir, Ich mit Louis, Samtpfoten schleichen um meine Beine, zwischen den Beinen hindurch und treten auf meine Füße… Ich gebe ihnen seelenruhig etwas zu Essen und fege die Taschentuchschnipsel zusammen.