Katzenschutzbund Rostock e.V. | Pflegestellengeschichten Nr. 3
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Pflegestellengeschichten Nr. 3

Pflegestellengeschichten Nr. 3

Emmy, die Unnahbare – eine Leidenschaft mit Happy End

An einem Tag im April erhielt der Katzenschutzbund Rostock e.V. einen Anruf aus einer Gartenanlage im Stadtteil Reutershagen. Katzenfreunde fütterten seit einiger Zeit eine Katze, die nun in einem sehr schlechten Zustand war und kaum noch laufen konnte. Obwohl sie scheu war, hielt sie sich immer in der Nähe der Futterstelle auf und fraß, was die Tierfreunde ihr gaben.

 

Nur wenig später machten sich einige Vorstandsmitglieder auf den Weg, um das Tier einzufangen und tierärztlich behandeln zu lassen. Die Katze war so schwach, dass sie sie lediglich in die Transportbox umsetzen mussten.

In der Tierarztpraxis angekommen wurde nach einigen Untersuchungen das Ausmaß der Verletzungen klar: Neben drei sich im Körper befindlichen Projektilen von einem Luftgewehr hatte die arme Fellnase eine Flüssigkeitsansammlung in der Lunge und Verletzungen an den Bandscheiben. Ihr Fell hatte kahle Stellen und war teilweise von Dreck verklebt, ihr kleines Katzengesicht war ganz verkrustet und ihre Nase entzündet. Zudem war sie von unzähligen Parasiten befallen, wog mit lediglich zwei Kilo viel zu wenig und hatte außerdem Durchfall. Aufgrund der Schwere der Verletzungen und des schlechten Allgemeinzustandes gaben uns die behandelnden Ärzte nur wenig Hoffnung, dass sie die Nacht überstehen würde. Wir wollten ihr gerne die Chance geben, ihren Lebenswillen zu zeigen und gaben ihr den Namen Emmy.

Nachdem Emmy an den Tropf gelegt wurde, um ihren Kreislauf wiederaufzubauen, hat sie die Nacht überlebt. Dennoch hatte sie es noch nicht gänzlich überstanden. In den ersten Tagen ihres stationären Aufenthaltes fraß sie nicht und lag fast ununterbrochen am Tropf. Erst drei Tage später und nach einigen lieben Krankenbesuchen eines unserer Vorstandsmitglieder fing sie an, wieder von allein zu fressen. An diesem Tag konnten wir aufatmen. Wir begannen unsere Suche nach einer ganz besonderen Pflegestelle, in der unser Sorgenkind sich erholen und weitestgehend gesund werden konnte. Hilfe kam aus den eigenen Reihen: Eines der Mitglieder, welches bereits erprobte Pflegestelle war, bot den benötigten Platz an.

Durch einige Spenden-Aufrufe und Artikel in Zeitungen konnte der Katzenschutzbund Rostock e.V. die benötigte Summe für die Tierarztkosten aufbringen, die sich innerhalb der sechs Tage des stationären Aufenthaltes von Emmy angesammelt hatten. Nach dieser langen Zeit war Emmy in der Verfassung, die Tierarzt-Praxis zu verlassen und sich eigenständig, unter Aufsicht der Pflegestelle, wieder aufzurappeln.

Die ersten Tage in der Pflegestelle waren für Emmy natürlich neu, sodass nicht alles problemlos ablief. Vor allem die neue Situation mit der Nutzung eines handelsüblichen Katzenklos stellte sie zunächst vor eine Herausforderung. Nach zwei Tagen hatte sie schließlich den Dreh raus und war fortan stubenrein. Da sie während ihres Praxis-Aufenthaltes fortwährend von den Ärzten und Helfern angefasst werden musste, gab sie ihrer Pflegemama zu verstehen, dass sie davon erst einmal genug hat und bitte nicht angefasst werden möchte. Für die Pflegestellen-Mitbewohnerin Mina gab sie selbstverständlich zunächst ein merkwürdiges Bild ab, da sie sich permanent versteckte und nach wie vor sehr schlecht laufen konnte.

Emmy hatte Angst vor ihrer Pflegemama, was nur logisch erschien: Sie war zunächst angeschossen und vielleicht sogar getreten worden – von Menschen. Dann wurde sie in einen Käfig gesteckt, mit einer Nadel traktiert und gegen ihren Willen festgehalten – von Menschen. Zu diesem Zeitpunkt war ihr noch nicht klar, dass alle weiteren Zweibeiner, auf die sie fortan treffen würde, nur das Beste für sie wollten. Wie auch?

Zunächst wurde der Kontakt mit der kätzischen Mitbewohnerin Mina enger. Sie stand Emmy bei, wenn sie schlecht träumte und gab ihr die Gewissheit, dass nun alles gut sei. Emmy schien es dann auch immer besser zu gehen und ihre Angst langsam zu verlieren. Sie bewegte sich frei in der Wohnung und war weniger schreckhaft. Hin und wieder traf man sie sogar auf der Couch an. Nach ca. zwei Wochen, als ihre Mitbewohnerin sich für ihren Auszug in ein neues Zuhause vorbereitete, ging es Emmy leider wieder schlechter. Sie lief weniger durch die Gegend und atmete schneller. Für ihre Pflegemama ein Warnzeichen, da sie ja Flüssigkeit in der Lunge gehabt hatte. Wir brachten sie nochmals zum Tierarzt und ließen noch einmal einen Blick auf ihr Herz werfen. Dies schien soweit in Ordnung zu sein. Die Flüssigkeit in der Lunge kam von einer nicht vollständig abgeklungenen Infektion, die ihren kleinen Körper wieder schwächte. Dennoch machte sie insgesamt schon einen viel besseren Eindruck. Sie hatte 800 g zugenommen und hatte bereits begonnen, ihr völlig verkrustetes Fell zu putzen.

Nachdem sie erstmals ein Antibiotikum gegen die Entzündung bekam, klang diese schnell ab und Emmy erholte sich wieder. Nachdem sie zunächst eine Zeit lang alleine in der Pflegestelle untergebracht war, hatte sie den Luxus, sich in der Wohnung frei zu bewegen, lieben gelernt. Sie entdeckte weitere Verstecke und Schlafplätze, die sie nach und nach austeste. In dieser Zeit bekam ihr Selbstvertrauen einen deutlichen Schub und man sah ihr an, dass sie sich sehr wohl fühlte. Ihr Fell wurde von Tag zu Tag sauberer und die kahlen Stellen wuchsen nach. Auch ihr Gangbild wurde deutlich klarer und ihre Beine stärker.

Nach einigen Wochen zog Pflegekater Paule mit in die Pflegestelle ein. Leider mochte er Emmy anfangs gar nicht, sodass sie zunächst getrennt werden mussten. Emmy schien Paule nicht abgeneigt zu sein, ganz im Gegenteil. Sie überraschte uns, indem sie nur wenige Tage nach Paule’s Einzug rollig wurde. Darauf waren wir angesichts ihres anfangs schlechten Zustandes gar nicht gefasst und auch ihre Tierärztin, die sie vom ersten Tag an behandelt hatte, war sehr verblüfft. Emmy war auf wenigstens fünf Jahre geschätzt worden und schien eher älter zu sein. Dennoch zeigte sie nun, dass ihre Lebensgeister mehr als nur wiedererweckt waren.

Angesichts ihrer guten Fortschritte im Heilungsprozess konnte sie unter Anwendung einer besonders schonenden Narkose kastriert werden. Zwar hätte sich in diesem Zusammenhang die Entfernung der immer noch in ihrem Körper sitzenden Geschosse angeboten, allerdings scheinen diese sie nicht wesentlich einzuschränken oder ihr Schmerzen zu bereiten. Unter Beachtung des möglichen Risikos, das die Entfernung mit sich bringen könnte, wurden diese also dort belassen.Trotz der großen Sorgen, die ihre Pflegemama sich machte, überstand Emmy die Operation und den Heilungsprozess ganz ohne Komplikationen. Emmy hatte dabei Glück im Unglück: Ihre Gebärmutter wies eine große Zyste auf, die bei dem Eingriff selbstverständlich entfernt wurde. Dies hätte eventuell irgendwann zu Problemen führen können. Zudem hatte ihre Ärztin bei der Voruntersuchung erstmals ein leichtes Herzgeräusch vernommen, das nach ihrer vollständigen Genesung nochmals untersucht und ggf. mit Medikamenten behandelt wird, damit Emmy noch ein langes Leben haben kann.

Paule wurde danach zunehmend friedlicher, sodass das Trenngitter tagsüber und unter Beobachtung geöffnet wurde. Emmy wurde zwar hin und wieder von dem großen Grießgram vertrieben, aber immerhin konnte sie nun auch das eine oder andere Mal die Sonnenstrahlen auf dem Balkon genießen.

Nach diesen Höhen und Tiefen, die Emmy mit uns durchgemacht hat, freuen wir uns sehr, dass sie ein Teil unserer Familie bleiben wird. Ihre Pflegemama hat am Tag ihrer Kastration entschieden, dass sie sie nicht mehr gehen lassen will. Dieses kleine Kämpferherz, dass sich auch nach vier Monaten nicht anfassen lassen möchte, hat ein liebendes Heim mehr als verdient – und gefunden.

Im Namen von Emmy, ihrer Mama und dem Katzenschutzbund Rostock e.V. möchten wir noch einmal allen Spendern herzlich danken!